Über den Einstieg ins BDSM

BDSM ist bunt und vielseitig!

Ich vergleiche BDSM gern mit einem großen Apothekerschrank in dem jedes Fach eine andere Süßigkeit verbirgt. Was ich mag, kann ich mir nehmen, was ich nicht mag, bleibt liegen. Das was ich nicht mag, wird jemand anderem schmecken und damit hat es seine Daseinsberechtigung.

Das sage ich, nachdem ich mich schon einige Jahre auf diesem Gebiet austoben durfte. Ich weiß mittlerweile, dass ich nicht alles mögen und mitmachen muss und dass es nicht DIE eine festgelegte Praktik gibt, die gemocht und gemacht werden muss, um das BDSM-Gütesiegel zu bekommen.

Spoiler: das gibt es nicht!

Leider vermitteln viele Ratgeber da ein anderes Bild. Wenn ich in die Suchmaschine meines Vertrauens „BDSM für Einsteiger“ eingebe, finde ich zahlreiche Artikel, die zum großen Teil gleich aufgebaut sind:

Zuerst dröseln sie das Akronym und dessen verschiedenen Buchstabenkombinationen auf. In etwa so:

B ondage
D ominanz / Disziplin
S ubmission/ Sadismus
M asochismus

Damit stehen ein paar wirklich große Elefanten im Raum, die mal mehr, mal weniger detailliert erklärt werden.

Viele der Artikel werben dann schon in der Headline mit absoluten Must-Havs und Must-Do’s. Hier werden diverse Spielzeuge (inklusive entsprechender Shops) und Spielarten aufgelistet und erklärt. Die gängigsten Schubladen des Apothekerschranks werden dabei praktisch einmal vor den Lesenden ausgekippt. Von Nippelklemmen über Schläge, bis hin zu Fixierungen und Sinnesentzug ist da viel dabei.

Aber genau das kann besonders für komplette Neueinsteiger*innen extrem abschreckend sein, denn vermeintlich gehört das alles zusammen. Die Kombination der Begriffserklärung und anschließender Must-Do‘s impliziert mitunter, dass BDSM eben nur dann „richtig“ ist, wenn alle Anteile dabei sind. Am unvorteilhaftesten empfinde ich beigefügte Bilder, die über die Einsteigerutensilien hinausgehen. Gezahnte Klemmen, Flogger mit Metalleinsätzen, … Oftmals Dinge, die sich nicht während der ersten Schritte anbieten.  

BDSM ist nicht erst dann „richtig“, wenn jeder Buchstabe darin gelebt wird!

Manche Ratgeber vergessen in ihren Texten schnell, für wen sie die Worte schreiben und vielleicht sogar, mit welchen Gedanken und Sorgen sie selbst einmal begonnen haben. Sie erklären zwar die einzelnen Buchstaben, vergessen aber leider häufig zu erwähnen, dass es nicht jeden Buchstaben braucht, um als BDSM zu gelten. So entsteht leicht das Bild, alle Anteile müssten ins Spiel involviert werden, damit es BDSM genannt werden darf und das ist Bullshit!

Jetzt könnte ich das so stehen lassen, doch in manchen Fällen liegt hier die Ursache eines Problems, das mit etwas mehr Weitsicht und Verständnis – manchmal auch mit nur ein paar erklärenden Worten mehr – hätte verhindert werden können.

Interessierte Menschen, die aus Interesse heraus den eigenen Horizont erweitern möchten und sich über BDSM informieren, werden von derlei Texten vielleicht schon so abgeschreckt, dass sie – weil sie beispielsweise keine Schmerzen spüren möchten und Fesselungen ablehnen – nicht weiterlesen und das Thema für sich abhaken und beiseiteschieben. Vielleicht entgehen denen aber dadurch ganz wundervolle Erfahrungen und Empfindungen.

Hier beschließt jemand für sich allein, mit dem was fälschlicherweise unter BDSM verstanden werden muss, nichts anfangen zu können.

Dann gibt es aber die, die sich informieren möchten, weil deren Partnerperson das Thema BDSM in die Beziehung brachte. Diejenigen, die sich allein mit dem Gedanken vielleicht erst seit wenigen Stunden oder Tage beschäftigen, weil sie die Wünsche der Partnerperson zumindest verstehen wollen und sich ein Bild davon machen möchten.

Die lesen dann die Bedeutungen hinter den Buchstaben und anschließend von Schmerzen, von Schlägen und Fixierungen. Dass es an dem Punkt dann einige Menschen gibt, die völlig abgeschreckt sind, kann ich nachvollziehen. Doch das ist hier doppelt schade, denn zum einen verbaut auch das sämtliche vielleicht tollen Erlebnisse. Zum anderen kann es aber auch schnell passieren, dass die eigene Partnerperson plötzlich in einem anderen Licht gesehen wird.

„Auf sowas stehst du?“, „Das ist pervers/ ekelhaft/ unnormal/ krank!“

Manche Worte erblicken schneller die Welt, als Verstand und Empathie sie zurückhalten könnten und manche verbleiben für immer im Gedächtnis. Der Partnerperson von derlei Bedürfnissen zu erzählen, kann schon schwierig genug sein. Halbgare Ratgebertexte tun dem ganzen leider oftmals keinen Gefallen, auch wenn sie (im Idealfall) gut gemeint sind.

Der Gedanke, das Gegenüber zu fesseln oder gefesselt zu werden, löst nun mal nicht bei jedem Menschen Verlangen und Lust aus. Ebenso wenig wie die Vorstellung, geschlagen zu werden oder Anweisungen befolgen zu „müssen“. Im Gegenteil gibt es genügend Menschen, die damit viele negative Dinge verbinden und die all das nicht in ihr Sexleben integrieren möchten oder können.

(Wenn dem so ist, ist das natürlich absolut legitim, solange die Daseinsberechtigung der Phantasien/ Wünsche/ Bedürfnisse der Partnerperson nicht kleingeredet oder angezweifelt wird.)

Eins ist denke ich ganz wichtig zu sagen:
Alles was in dem Apothekerschrank zu finden ist und sich irgendwie von den 4 Buchstaben abdecken lässt, ist BDSM.
Dabei sind Neigungspaarungen wie S/M – also Sadismus und Masochismus –, aber auch D/S – also Dominanz und Submission – recht häufig und denkbar.

Denkbar!, nicht unabdingbar. Denn manchmal stehen auch Buchstaben schlichtweg für sich allein. Wie zum Beispiel das B für Bondage, aber auch das D für Disziplin. Hier braucht es mitunter gar keinen weiteren Part.

Wenn ihr an Bondage Interesse habt, müsst ihr nicht in Kauf nehmen oder damit rechnen, geschlagen zu werden. Wenn euch der Gedanke an den Klaps auf den Arsch schmunzeln und erröten lässt, bedarf es dazu keinem Befehlston, keiner Fixierung, keiner Demütigung. Außer ihr wollt es.

Vielleicht ist das aber auch alles nichts für euch und ihr wollt einfach ein Stück der Kontrolle abgeben und euch darauf einlassen, was euer Gegenüber euch „befiehlt“. Vielleicht wollt ihr euch leiten lassen und nicht immer alles selbst entscheiden müssen.

Ihr mögt keine Schmerzen? Klemmen, Peitschen und andere Gemeinheiten jeglicher Art sind kein Muss. Das einzige Muss besteht in eurem Wohlbefinden. Fühlt ihr euch mit dem was ihr tut oder tun wollt, wohl, dann ist es okay. Seid ihr euch unsicher? Probiert es in einer milden Form aus und schaut, was das mit euch macht.

Bedient euch aus den Schubladen die euch gefallen und ignoriert die anderen. Es gibt kein Muss, nur viele großartige Kanns.

6 Kommentare zu „Über den Einstieg ins BDSM

  1. Vielen Dank für den Beitrag.
    Ich stehe tatsächlich noch in den Startschuhen was BDSM angeht.
    Bei ersten Erlebnissen mir einer Sub habe ich aber gespürt, dass es mich sehr erregt wenn ich meine Grenzen Schritt für Schritt überschreite und sehe welche Lust es bei ihr auslöst.

    Gefällt 4 Personen

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