Irgendwann hatte sich der Security-Mann hinter sie gestellt und es fühlte sich gut an, ihn in dieser sonst eher machtlosen Position bei sich zu wissen. Sie sah ihn gerade nicht – durch das breite Halsband war ihr Sichtfeld stark begrenzt – doch selbst obwohl noch kein Besucher bei ihr war, zog er um das Podest bereits seine Runden. Und jedes Mal, wenn sie ihn dabei sehen konnte, warf er ihr ein zuversichtliches Lächeln zu. Soweit es ihr möglich war, versuchte sie sich erwidernd bemerkbar zu machen. Mit minimalen Regungen und er verstand.
„Denk an den Knopf!“, hatte er sie erinnert. „Du kannst abbrechen, wann immer du willst!“
Den Teufel würde sie tun, so viel stand fest, doch seine Fürsorge tat gut und so brummte sie ein kaum verständlichen Mhhmhh zur Antwort. Nun konnte sie es kaum noch erwarten und allein dieses Verharren erinnerte sie an in gewisser Weise an das kniende Warten am Boden, bevor ihr früherer Spielpartner entschieden hatte, zu ihr zu kommen. Feucht war kein Ausdruck mehr. Nass hätte es besser getroffen und wann immer der Luftzug der Klimaanlage sie traf, spürte sie, wie es zwischen ihren Beinen kalt wurde.
Lena hatte sich diese öffentliche Zurschaustellung ihrer Geilheit immer gewünscht, jedoch nie ein entsprechendes Gegenüber dafür gefunden. Ein weiterer Grund für sie, Teil dieser Ausstellung sein zu wollen. Bisher hatte sie es sich nur ausmalen können, doch diese Fantasie wurde sogar übertroffen. Obwohl praktisch noch nichts geschehen war, obwohl der eigentliche Hintergrund – das teilanonyme Bespielen und Teasen, das Beobachten und Beobachtet werden – noch gar nicht begonnen hatte. Es war ein Hochgefühl, wie sie es noch nie in ihrem Leben verspürt hatte. Als würde ein Feuerwerk aus Endorphinen durch ihre Adern schießen und sie mit sich in höhere Sphären katapultieren und so stöhnte Lene bereits in den Knebel, als die ersten Gäste vor ihrem Podest stehen blieben und das puppenhafte Kunstwerk betrachteten.
Lena beobachtete das Pärchen, sah die Frau, die mit glänzenden Augen jedes Detail aufsog und beinahe ehrfürchtig zu ihr hinaufblickte. Eine seltsam verschobene Erkenntnis für Lena selbst, war sie doch eindeutig in der misslicheren Situation. Bis sie verstand, wie gern die Besucherin an ihrer Stelle gestanden hätte. Sie erkannte es und lächelte zufrieden unter ihrer Latexhaut. Vielleicht konnten es die Beiden von ihren Augen ablesen, denn plötzlich lächelten sie und fast schon schüchtern zeigte der Mann auf den großen roten Knopf. Mir Gesten versuchte er zu erfragen, ob Lena erlaubte, ihn zu drücken.
Sie erinnerte sich daran, was der Künstler ihr gesagt hatte.
„Die Gäste müssen Schweigen, damit die Exponate für sich sprechen können!“
Himmel ja, sie würde sprechen. Stöhnen als Sprache der Lust und der Ekstase. Und sie sehnte sich so sehr danach, endlich das Vibrieren des Wand zwischen ihren Beinen spüren zu dürfen, also warf sie den beiden einen fast schon flehentlichen Blick zu, musste aber im gleichen Moment in dem sie erkannte, was genau sie da tat in den Knebel schmunzeln.
Es war eine seltsam verkehrte Welt. Sie, die sich eher kraftvoll auf die Zunge gebissen hätte, bevor sie um etwas flehte, war allein von der Vorbereitung in der Garderobe und vom Warten auf den Einlass bereits so erregt, dass es ihr jetzt ziemlich egal war. Zudem war die Situation eine gänzlich andere. Sie musste nicht stark sein oder versuchen, in einem Machtspielchen ihre Position zu verteidigen. Diese Ausstellung galt allein ihrer Lust und ihrem Leiden. Sicherlich lag es nicht in ihrem Ermessen, ob jemand den Knopf für sie drücken würde, doch ernsthaft: der Großteil der Besucher war vermutlich genau deshalb hier. Um zu testen. Zu beobachten. Um ein Gefühl für Aktion und Reaktion zu bekommen und vermutlich um einen gewissen Voyeurismus auszuleben.
Das Pärchen vor ihr schien gerade die ersten Schritte in dieser Welt zu laufen und vielleicht war es sogar gut, dass gerade sie als erstes bei ihr waren. Um es langsam anzugehen, auch wenn Lena es kaum erwarten konnte, an ihre Grenzen zu gehen.
Offenbar gelang es ihr, ihre Zustimmung nur durch Blicke deutlich zu machen, denn er legte die Hand auf den großen Knopf und drückte ihn, ohne sie auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Lena machte sich innerlich bereit auf das, was sie zu Haus so oft mit dem Toy getan hatte und wusste um die Kraft, die hinter diesem eher unscheinbar anmutenden Ding steckt, doch statt der gewohnten starken Vibration setze lediglich ein ganz schwaches Zittern ein.
Voller Enttäuschung stöhnte sie in den Knebel und sie versuchte sich mit der Hüfte fester an den Massagekopf zu pressen, doch der verfluchte Metallschwanz in ihr, verhinderte das. Ein weiteres Stöhnen durchdrang die Lagerhalle. Weit entfernt in ihrem Verstand realisierte sie, dass es auch diese Sprache war, die der Künstler durch die herrschende Stille hervorheben wollte. Die Sprache der sexuellen Frustration, nichts anderes war es.
Verdammt sie hatte sich den ersten Orgasmus – von hoffentlich vielen, denn 3 Stunde waren eine lange Zeit – so sehr gewünscht. Und nun? Das bisschen Bewegung hätte auch nach Stunden der Erregung nicht ausgereicht, sie zum Höhepunkt zu bringen.
Die Geräusche, die dumpf aus ihr hervorbrachen, gingen in ein leises Jammern über, als auch ihr Verstand begriff, dass sie so nicht zum Ziel kommen würde. Masochismus – schoss es ihr durch den Kopf und Lena erkannte, dass sie dieses vermutlich genauestens kalkulierte Beinahe-Nichts trotz allem genießen konnte. Weil es ihr Leiden verstärkte. Und während sie zugleich bereute, sich in der Garderobe nicht wenigstens einmal Erleichterung verschafft zu haben, weidete sie sich zugleich geradezu darin. Wünschte sich, es wäre anders und hoffte zugleich, es würde niemals enden.
So erkannte Lena, dass das leichte Summen zwischen ihren Schenkeln keinesfalls sinnlos war. im Gegenteil. Es erinnerte sie daran, genau aus dem Grund teilgenommen zu haben. Um die Kontrolle abzugeben. Um sich in sich selbst zu verlieren.
Irgendwann musste sie während ihrer Gedanken die Augen geschlossen haben. Vielleicht hätte sie andernfalls erkannt, dass das Pärchen im Gehen begriffen war. So stoppte der Wand ohne Vorwarnung und die beiden hatten ihr bereits den Rücken zugedreht, als die es realisierte und in den Raum blickte. Was sie spürte war keine Enttäuschung. Vielmehr ein tief empfundenes Treibenlassen in einem Ozean aus Wollen und nicht dürfen. Etwas, auf das sie viel zu lang verzichtet hatte. Und so entspannte sie sich. Beinahe, als wäre sie in Trance. Spürte das Feuer in sich, dass sie ganz langsam verbrennen würde.
Sich dem eigenen Schicksal ergebend, vernahm sie nun auch die Geräuschkulisse um sich herum. Die vereinzelten Monologe der anderen Exponate, die Zusammen eine an- und abschwellende Symphonie ergaben. In diesem Moment meinte sie, nie etwas Schöneres gehört zu haben. Genau zuordnen konnte sie nicht, aus welcher Richtung die Lust, aus welcher der Schmerz kam. Im Grunde war das auch völlig egal. Sie sah sie Kunst um sich herum. Hörte sie und fühlte sie bis tief in sich hinein.
Ein Gedanke der sie bei angespannter Beckenmuskulatur schmunzeln ließ.
Die nächste Besucherin die auf sie zukam, eine ältere Frau mit dunklem Funkeln in den Augen, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Lena konnte es kaum festmachen, doch der Ausdruck auf ihrem markanten Gesicht war einzigartig. Sie taxierte Lena wie ein Raubvogel seine Beute, die mit einem Mal das Bedürfnis hatte, den Blick zu senken. Sie verstand sich selbst nicht mehr und musste einige Selbstbeherrschung aufbringen, diesem inneren Drang nicht nachzugeben.
Auf den Lippen der Frau breitete sich ein Lächeln aus, das Lena nicht deuten konnte und sie wurde das Gefühl nicht los, ihr Gegenüber wüsste genau, welchen Kampf Lena gerade mit sich austrug. Ihr wurde heiß und kalt zugleich und noch bevor die Hand der Frau den Knopf erreichte, stöhnte sie in leiser Erwartung.
Lena hatte sich auf das sachte Vibrieren vom Mal zuvor eingestellt und fuhr, soweit ihre Fesseln es zuließen zusammen, als sie auf ihrer Perle wesentlich mehr Kraft spürte. Für den ersten Moment empfand sie es fast als zu viel, doch die Lust überwog schnell.
Das ist so wahnsinnig heiß. Ich möchte auch in so eine Ausstellung. Els Exponat. Ein ganz großes Kompliment an Deine extreme Phantasie.
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🌹Dankeschön. 🙂 Es werden noch weitere „Ausstellungsstücke“ dazu kommen.🌹
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Es gefällt mir, dass die Geschichte nicht nur gradlinig in eine Richtung weitergeht und die Gefühlswelt, gerade auch des Moments der Frustration ist sehr nachvollziehbar beschrieben.
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🌹Merci! Gerade die unterschiedlichen Facetten im Spiel, ob fiktiv oder real, gehören für mich einfach dazu, um es lebendiger zu machen.🌹
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Ich finde ganz ehrlich keine Worte die beschreiben könnten wie toll ich diese Geschichte finde. Nicht nur weil mir das alles fremd ist, auch weil ich den Masochisten in ihr kaum verstehe. Und ich mag es sehr wie Du Wort für Wort ihre Empfindungen beschreibst. Die ich von selbst kaum sehen noch begreifen könnte. Das ist so heiß, aber doch so viel mehr. Bin einfach begeistert.
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🌹 Vielen vielen Dank 😊
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